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Shiku

Muh, das Telefonbuch

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Kelley Armstrong
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Kelley Armstrong
Slated - Teri Terry 3,5
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Im Jahr 2054 hat das Vereinigte Königreich die EU verlassen und die Grenzen geschlossen. Innerhalb versucht die Central Coalition den Terrorismus, der sich ausgebreitet hat, zu bekämpfen. Eine Maßnahme zu diesem Zweck ist das Slating: Verbrecher werden einer Operation unterzogen, die sie ihr altes Leben vergessen lässt. Da dieses Vorgehen nur vor dem 16. Lebensjahr möglich ist, werden sie danach in neuen Familien mit einer neuen Identität untergebracht, vertraglich dazu verpflichtet, sich in die Gesellschaft einzubringen.
Dies ist die Situation, mit der sich die 16-Jährige Kyla konfrontiert sieht. Nach neun Monaten im Krankenhaus wird sie nun entlassen, um mit der Familie Davis zu leben, dessen weitere Tochter Amy ebenfalls ein Slater ist. Es gibt viele alltägliche Dinge, die sie wieder lernen muss und nicht alle Menschen wollen den Slatern die zweite Chance geben. Doch sehr bald muss sich Kyla noch mit ganz anderen Probleme herumschlagen: Sie ist nicht wie andere Slater, sieht Dinge, die sie nicht sehen sollte und kann Dinge, an die sie sich eigentlich nicht erinnern dürfte. Erfahren darf dies niemand, denn instinktiv weiß sie: Eine dritte Chance wird es nicht geben.


„Slated“ war ein Spontankauf, den ich nicht bereue, auch wenn mich das Buch am Ende nicht ganz umhauen konnte. Dabei startet es eigentlich recht gut, wenn auch langsam, was der Situation aber vollkommen gerecht wird. Kyla wird aus dem Krankenhaus entlassen und muss sich in der alltäglichen Welt erst wieder zurechtfinden. Auch wenn sich ihre Sprachfähigkeit sehr schnell erholte, gibt es immer noch Begriffe und Sprichwörter, die ihr nichts sagen, genauso wie sie den Ablauf eines Abwaschs erst noch einmal erläutert kriegen muss, ehe sie es selber machen kann. Sie ist nicht vollkommen hilflos, immerhin verbrachte sie ein Dreivierteljahr im Krankenhaus, um all solche Dinge zu lernen, aber hier und da braucht sie dennoch Hilfe oder ist erstaunt, wie das Ganze in der Realität – statt nur auf einem Bild – wirkt.
In der Zeit wird dem Leser aber nicht nur vorgekaut, wie ein Alltag abzulaufen hat, sondern auch die Welt, in der die Menschen jetzt leben, näher gebracht. Sehr viel anders ist sie zunächst nicht: Die Menschen fahren noch ganz normale Autos, das Leben ist keineswegs nur von Technologie bestimmt, es gibt keine Roboter und Krebs ist wahrscheinlich immer noch ein Problem. Dennoch gab es auch Entwicklungen in allen möglichen Bereichen, was das Slating wohl am allerbesten demonstriert. Es mag zunächst auch gar nicht mal so schlecht klingen, wenn sonst gewalttätigen Menschen eine zweite Chance gegeben und ein neues Leben ermöglicht wird, doch es zeigt sich ziemlich bald, dass längst nicht alles im Reinen ist. Überwachung und Zensur ist schlimmer geworden, Kritik sollte nicht zu offen geäußert werden und wenn jemand dem Slating unterzogen wurde, wird ihm damit auch jede Möglichkeit genommen, sich selbst zu verteidigen – nur eine von vielen „Nebenwirkungen“. In dieser Hinsicht ist Kylas „erste“ Reise in die Welt außerhalb des Krankenhauses sehr richtungsweisend: Das Krankenhaus, das sie verlässt und auch den ersten Eindruck außerhalb darstellt, gleicht eher einem Gefängnis, was sie zunächst gar nicht so sehr stört. Nun, das wird sich ändern.

Das Problem des Buches ist, dass sich dieses Tempo nie erhöht. Kyla lebt sich ein, findet Freunde, sieht sich aber auch immer mehr Geheimnissen und verschwindenden Personen gegenüber. Ab einem gewissen Punkt hätte ich ihr am liebsten einen leichten Stoß gegeben und ihr „Na los, jetzt komm schon!“ hinterhergerufen. Bringt natürlich nichts und das Buch zieht in seinem gemächlichen Tempo weiter.
Es liegt lediglich an den weiterhin bestehenden Rätseln und an denen, die noch dazu kommen, dass es sich nicht ganz zieht oder gar langweilig wird. Während ich die ersten 200 Seiten beinahe süchtig in mich hineingesogen habe, ging’s danach etwas weniger dringlich weiter. Interessant war es immer noch, aber die extreme Neugierde, als alles noch neu war und die ersten Ungereimtheiten auftauchten, hatte nachgelassen.
Tja, und dann kam das Ende. Einen Abschluss kann man es nicht wirklich nennen, ein (großer!) Haufen Fragen bleibt offen und wirklich weitergekommen ist Kyla auch nicht. Aber es gibt da diese kleine, aber sehr entscheidende Wende, die zwar nicht unbedingt überraschend, aber wahnsinnig vielversprechend ist. Kurz gesagt ließ sie mich mit ziemlich tiefen Sorgenfalten, aber auch der Hoffnung zurück, dass im nächsten Band ein paar Hintern gehörig versohlt werden. Und dass es Antworten geben wird, notfalls mit Gewalt erzwungen.

Natürlich ist Kyla nicht die einzige wichtige Person, aber definitiv die wichtigste. Am Anfang ist es ein bisschen schwierig, sie einzuschätzen, was aber wenig verwundert: Sie kennt sich ja selbst nicht einmal. Aber mit der Zeit stellt sich heraus, dass sie hauptsächlich eine ruhige 16-Jährige ist, die gerne und gut zeichnet, aber bei weitem nicht das blind vor sich hin grinsende Mädchen ist, das sie sein sollte. Sie bemerkt Dinge, hinterfragt Handlungen, verlässt sich auf ihren Instinkt und hat immer mal wieder eine sarkastische Bemerkung parat. Die behält sie in der Regel aber lieber für sich, denn ihr Instinkt sag ihr – zu Recht –, dass es keine gute Idee wäre aufzufallen. Mit voranschreitender Handlung ist sie immer entschlossener, mitzumachen und damit in Ruhe gelassen zu werden. Keine Entscheidung, die mich unbedingt gefreut hat, die aber auch sehr verständlich ist.
Ein weiterer, zumindest für mich sehr wichtiger, Charakter wäre ihre „Mutter“, bei der ich mir sicher bin, dass da noch so einiges kommen wird. Sie wirkt zunächst ziemlich ruppig, ist aber eine Frau, die das Herz am rechten Fleck trägt und ihren eigenen Kopf hat, auch wenn auch sie die Konforme spielt, wenn es sein muss. Gerade zwischen ihr und Kyla war es schön zu beobachten, wie aus diesen Fremden mit der Zeit wirklich eine Familie wurde. Sie sind zwar noch nicht so innig, wie Mutter und Tochter es sein können, aber sie sind auf dem Weg dorthin. Selbst kleinste Szenen zwischen ihnen sind wirklich herzlich, auch wenn sie für harmonieliebende Leser viel zu selten vorkommen. Neben ihr gibt es natürlich auch noch die anderen Familienmitglieder, die keineswegs vergessen werden sollten, allerdings (noch) keine ganz so große Rolle einnehmen. Andere Charaktere melden sich genauso für wachsende Wichtigkeit an – was daraus wird, wird sich zeigen.
Definitiv nicht unwichtig ist Ben, ein 17-jähriger Slater, in den sich Kyla – natürlich – verliebt. Keine große Überraschung hier. Auch er scheint nicht ganz dem typischen Slater zu entsprechen, aber das heißt nicht, dass die Operation gar keine Auswirkungen auf ihn hatte. Er ist ein ziemlich netter, sympathischer Kerl, dessen einziger Fehler eigentlich die ziemlich abrupte Wandlung mitten in der Handlung ist. Der Grund dafür ist ziemlich offensichtlich: Es soll wieder Schwung in die Geschichte kommen und ein bisschen ist das auch der Fall. Aber die Überleitung dazu konnte mich nicht ganz überzeugen, auch wenn ich fast behaupten würde, dass das ein bisschen anders aussähe, wäre der Part aus seiner Sicht geschrieben worden. Sei es, wie es sei: Es bringt die Handlung voran, zumindest ein wenig.


„Slated“ ist keineswegs perfekt – das Tempo der Geschichte erhöht sich nie, was die Geschichte zwischendurch ein wenig schleppend wirken lässt. Ein Versuch, das Ganze wieder vorwärts zu bringen, ist auch eher unbeholfen eingebaut, aber abgesehen davon bietet das Buch eine interessante, nur leicht veränderte Zukunft, in der Meinungsfreiheit wieder einmal zum Fremdwort geworden ist. Mit der Zeit sammeln sich etliche Fragen an, die zu einem Großteil mit in den zweiten Band übernommen werden, auch wenn die kleine Wendung am Ende noch vielversprechender ist. Es überzeugt nicht vollkommen, macht aber zweifelsohne Lust auf mehr – ich bin dabei!